Frauen in Tunesien sind traditionell für den
Innenbereich einer Familie zuständig und säubern das Haus, kochen die Mahlzeiten und erziehen die Kinder.
Auch wenn sich in höheren Bildungsschichten ein Umdenken abzeichnet und in ärmeren
tunesischen Familien die Frau oftmals sogar mitarbeiten muß, gilt es weithin auch für Frauen als erstrebenswert, daß die Frau nicht lohnabhängig arbeitet und nur
Hausfrau und
Mutter ist, allenfalls noch im Familienbetrieb mitarbeitet.
Diese Rollenverteilung wird nicht nur von den Männern in Tunesien, sondern auch von vielen Frauen selbst befürwortet.
Ein sicherlich überzeugendes Argument ist es, daß die Arbeitsmöglichkeiten für Frauen in Tunesien sich vielfach nur auf untergeordnete und industrielle Tätigkeiten (
Produktionshelfer), die eine niedrige Bezahlung und einen niedrigen Sozialstatus bedeuten, beschränken.
Ein weiteres Argument ist allerdings auch der Unwillen der meisten Männer, es zu akzeptieren, daß die Frau selbständig Geld verdient (
und sie es oft auch für sich behält, da der Mann gesetzlich verpflichtet ist, seine Familie zu unterhalten) oder mit männlichen Kollegen zusammenarbeitet.
Anders als in einigen anderen Staaten islamischer Gesellschaft kann es in Tunesien der Mann jedoch seiner Frau nicht verbieten, zu arbeiten oder sich nach Belieben in der Öffentlichkeit aufzuhalten -
auch wenn in vielen Fällen in der Realität sowohl das eine, wie auch das andere, der Fall ist, bzw. vom Mann angestrebt wird.
Ob die fehlenden
Arbeitsmöglichkeiten für Frauen der Grund dafür ist, daß Frauen lieber die Hausfrauenrolle übernehmen, oder ob die Tatsache, daß die meisten Frauen Hausfrauen sind, es bewirkt, daß nur wenige Frauen-Arbeitsplätze angeboten werden, sei dahingestellt.
Es gibt vielfältige Programme der Regierung, Arbeitsplätze für Universitätsabgänger, in der Mehrzahl Frauen, zu schaffen, doch halten diese Bemühungen der Nachfrage nicht stand - weshalb sich letztlich eine guter Prozentsatz auch gut ausgebildeter Frauen für die traditionelle Hausfrauenrolle entscheidet.
Frauen
heiraten üblicherweise zwischen 18 und 26 Jahren, bei hoher Bildung auch mitunter noch bis etwa 30.
Danach allerdings sinken die Heiratschancen einer Frau beträchtlich, was in erster Linie daran liegt, daß es als erstrebenswert gilt, daß eine Frau in jungen Jahren viele Kinder bekommt.
"Kinder haben" ist ein ganz zentrales Element in der Lebenswelt der Frau. Nur eine Frau, die eigene Kinder hat, wird von der Gesellschaft als eine "richtige" Frau akzeptiert, die ein glückliches Leben führen kann.
Tunesische Frauen über 30 können oftmals nur noch mit zum Teil erheblich älteren Männern eine (
Versorgungs-)Ehe eingehen, oft bleiben sie auch unverheiratet.
Ehen mit Männern, die mehr als 2-3 Jahre jünger sind, als die Frauen, sind zwar theoretisch denkbar, sind aber in der Realität nur sehr selten anzutreffen und werden tatsächlich gesellschaftlich als negativ wahrgenommen.
So gibt es z.B. eine Folklore in Tunesien, nach der Frauen den "Höhepunkt" des Lebens um die 30, Männer hingegen erst um die 40-50 erreichen.
Die
Jungfräulichkeit einer Frau wird bis zur Ehe in Tunesien vorausgesetzt und in einigen Regionen Tunesien traditionell nach der Hochzeitsnacht überprüft (
"blutiges Laken").
Auch wenn in der Realität viele Frauen vor der Ehe bereits sexuelle Erfahrungen mit Männern haben, ist dies dennoch weithin gesellschaftlich nicht akzeptiert.
Die Nicht-Jungfräulichkeit einer Frau kann in Tunesien einen Grund zur Annulierung der Ehe darstellen. Die ärztliche „Wiederherstellung der Jungfräulichkeit“ vor der Hochzeit ist daher in Tunesien keine Seltenheit.
Die Einwilligung eines Vaters in die Eheschließung seiner volljährigen Tochter ist, anders als in einigen anderen arabischen Staaten, in Tunesien
nicht erforderlich.
Allerdings wird sich eine Frau dem Wunsch des Vaters nur in seltenen Fällen widersetzen, denn eine solche Opposition kann den Ausschluß aus der Familie bedeuten - und dies wäre, im Falle des Scheiterns der Ehe, für eine Frau, die dann fast immer Kinder hat, existenzbedrohend.
Frauen leben in Tunesien, ebenso wie die Männer,
homosozial - sie halten sie also, wenn sie nicht zuhause sind, vorwiegend zusammen mit anderen Frauen auf, meist Mitgliedern der Familie.
In den meisten Fällen wird es von Ehemännern nicht akzeptiert, daß sich ihre Frauen mit anderen Männern unterhalten, auch nicht am Telefon - geschweige denn, mit ihnen in einem Restaurant zusammensitzen oder spazieren gehen.
Das "
Fremdgehen" von Frauen ist in der Realität nicht wesentlich seltener als das von Männern, doch es ist gesellschaftlich nicht akzeptiert und spielt sich daher meist völlig im Verborgenen ab.
Uneheliche Kinder sind extrem selten, da sie ein großes soziales Stigma bedeuten. Mittel der Wahl im Falle einer Schwangerschaft sind daher meist Schwangerschaftsabbrüche, zum Teil auch mehrfache.
Die
Scheidungsrate in Tunesien ist relativ hoch, speziell wenn man Ehen betrachtet, die in den letzten Jahren geschlossen wurden. Werte von 30-50% und mehr sind nicht ungewöhnlich in einigen Gegenden Tunesiens.
In vielen Fällen geht der Wunsch für eine Scheidung dabei von der Frau aus, Scheidungsgründe sind oft Alkoholismus oder Drogensucht des Mannes und/oder Gewalt in der Ehe.
Problematisch ist es hier besonders, daß Frauen in der Praxis nur bis zu 3 Monate nach der Scheidung laufende Unterhaltszahlungen erhalten (
das ist auch zugleich die Warteperiode, in der Frauen nach einer Heirat nicht erneut heiraten dürfen).
Nur dann, wenn die Frau für seine Kinder sorgeberechtigt ist, muß der Mann darüber hinaus noch laufende Zahlungen leisten.
Im Einzelfall spielt es jedoch auch eine Rolle, wer die Scheidung "verursacht" hat, denn in Tunesien gibt es noch das (
in Deutschland abgeschaffte) "
Schuldprinzip".
Nach diesem Zeitpunkt gilt generell:
Eine Frau hat nach einer unverschuldeten Scheidung Anspruch auf Unterhalt durch den Ehemann - entweder in Form einer Abfindungszahlung oder einer monatlichen Zahlung, bis sie erneut heiratet. Die Höhe dieser Abfindungs- oder Unterhaltszahlung bemißt sich nach der Ehedauer und dem wirtschaftlichen Stand während der Ehe und wird vom Scheidungs-Gericht festgelegt.
Andererseits verhält es sich in der Praxis jedoch auch so, daß eine Frau, nur um eine Scheidung schnell herbeizuführen, auf Abfindung und Unterhaltsleistungen verzichtet und/oder der Mann aus finanziellen Gründen die Zahlungen nicht leisten kann.
Da die Neigung tunesischer Männer, Kinder aus anderen Ehen zu akzeptieren, sehr gering ist (
keine soziale Akzeptanz), bleibt nach einer Scheidung für die Frau meist nur die Möglichkeit, alleinstehend zu leben - oder aber unter Verzicht auf die Kinder neu zu heiraten.
Die Kinder werden in diesem Falle meist in der Familie der Frau oder des Vaters der Kinder untergebracht und dort erzogen.
Eine tunesische Frau wird sich daher erst nach langer Überlegung und in wirklichen Notsituationen zu einer Scheidung entschließen.
Siehe auch:
Fragen und Antworten zu Beziehungen mit Tunesiern